Der Handel mit Nahrungsergänzungsmitteln, darunter mit Vitamin C, schlägt in unseren Tagen auf der ganzen Welt Rekorde. Die Händler haben uns von zahlreichen Nahrungsergänzungsmitteln glauben gemacht, dass wir ohne sie am besten den Tag gar nicht erst beginnen sollten. Um nur die bekanntesten zu erwähnen: Magnesium, Vitamin K2, Zink, Omega 3, das Koenzym Q10, Flavanoide oder, wenn wir keine Wahl haben, dann Multivitamin.
Vitamin C ist insofern etwas anderes, da wir es schon seit unserer Kindheit kennen, weil es durch Szent-Györgyi Teil unseres Nationalstolzes ist und auch diejenigen ihm positiv gegenüberstehen, die im Übrigen Vorbehalte zum Gesundheitskonzept auf der Basis von Pillen haben. Im allgemeinen Denken gibt es in dem Vitamin C, das in Tablettenform eingenommen wird, bestimmt irgendeine positive Wirkung: Es beugt Schnupfen und Grippe vor, stärkt das Immunsystem. Unter Laien sind viele davon überzeugt, dass durch das Einnehmen von Vitamin C Krebs vorgebeugt werden kann oder – wenn er denn schon da ist – intravenös verabreichtes Vitamin C gewiss hilft.
Es ist gut zu wissen, dass die Fachliteratur Orientierung in dieser Frage gibt, ob das alles wahr ist oder nicht. Aber Laien lesen selten wissenschaftliche Fachliteratur. Jene aber, die für Laien die volkstümlichen, naturheilkundlichen, esoterischen Artikel oder Beiträge für Frauenzeitschriften schreiben, sind keine Wissenschaftler. Wenn Sie einen Artikel lesen, der mit dem populären Einstieg beginnt, dass „Nach Ansicht von Wissenschaftlern…“ und der mit einer nichtssagenden Schlussfolgerung endet, dann hat ihn wahrscheinlich kein Wissenschaftler geschrieben. So kann es Probleme mit der Interpretation der ursprünglichen wissenschaftlichen Arbeit geben. Und leider gibt es solche Fachleute, die in Vitamin C ganz einfach eine geschäftliche Frage sehen. In solchen Fällen ist es g anz gleich, ob absichtlich oder aus Überzeugung, sondern das Wesentliche ist, dass so viel wie möglich Pillen verkauft werden, nicht aber die echte wissenschaftliche Wahrheit. Wegen all dieser Faktoren tauchen auf den Laien gewidmeten Seiten im Zusammenhang mit Vitamin C viel mehr irrige als wahre Information auf. Doch dann schaun wir einmal, was die Wissenschaft über den Zusammmenhang von Vitamin C und Krebs erschöpfend sagt. Es mag vorkommen, dass es schwieriger als im Durchschnitt sein wird, dem Artikel zu folgen, doch ich vertraue darauf, dass Sie, wenn Sie das Ede erreicht haben, zu der Einschätzung gelangen, dass es der Mühe wert war.
Das prägnante Wesen des Artikels besteht darin, dass die Wissenschaft, wenngleich ein natürlich hoher Vitamin-C-Spiegel Schutz gegen Krebs bedeutet, jedoch bislang keinen Beweis dafür gefunden hat, dass künstlich hergestelltes Vitamin C das Gleiche kann. Ebenso wenig gibt es einen Beweis dafür, dass künstliches Vitamin C in der Krebstherapie völlig unschädlich ist. Die Art und Weise, wie die frei von Krankheiten lebenden Naturvölker zu Vitamin C gelangen, und die Aneignung der Evolutionstheorie kann zur Lösung führen.
Woher stammt der Gedanke, dass Vitamin C bei Tumorkrankheiten wirksam ist?
Unter den Aposteln des Vitamins C befinden sich auch große Namen. Diese bedeutenden Menschen haben jedoch ihre Berühmtheit für Forschungen auf anderen Gebieten erlangt.Der amerikanische Biochemiker Irwin Stone schuf die Grundlage für seinen Namen in der Lebensmittelindustrie damit, dass er als Erster Vitamin C zur Haltbarmachung von Lebensmitteln benutzte. Später dann warf er als einer der Ersten auf, dass Vitamin C gut gegen Erkältungen sein könnte. Er schrieb auch ein Buch über den Zusammenhang zwischen Vitamin C und Krankheiten, obgleich er niemals eigene Forschungen zu dem Thema betrieben hatte. Stone übte eine große Wirkung auf Linus Pauling aus, den zweimaligen Nobel-Preisträger auf dem Gebiet der Chemie. Pauling hatte früher ebenfalls die Forschungen, die ihn berühmt machten, nicht auf dem Gebiet der Medizin oder der Biologie betrieben, aber wegen seiner Nobel-Preise zeigten diese eine große Wirkung auf die Menschen. Pauling entwickelte Stones Theorie weiter, hielt Vitamin C für wirksam gegen Krebs, ja sogar gegen das HI-Virus. Diese Gedanken bewegten sich jedoch ebenfalls auf theoretischer Ebene, und da sie nicht bewiesen waren, wurden sie von der Ärzteschaft nicht akzeptiert. Aber die Ansichten Paulings über die Vitamine in Form der ortomolekularen Medizin erfreuen sich weiterhin großer Popularität im Kreise einer Minderheit mit alternativen Einstellungen. Albert Szent-Györgyi, dessen Namen die meisten zwar im Zusammenhang mit Vitamin C kennen, bekam den Nobel-Preis nicht für seine Forschungen im Zusammenhang mit Vitamin C, sondern für seine Ergebnisse auf dem Gebiet der Zellatmung. Sein wichtigstes Verdienst um Vitamin C hatte er sich damit erworben, dass er es erstmals isolierte. Wenngleich es seine Überzeugung war, dass Vitamin C besonders wichtig für die Gesundheit ist und auch er es in hoher Dosis einnahm, betrieb er doch keine klinischen Forschungen im Zusammenhang mit Vitamin C, und er tat auch nicht so starken Äußerungen wie Pauling über Vitamin C und die Krebsheilung.
Albert Szent-Györgyi bei einem Vortrag, hinter ihm ist ein Ausschnitt des nach ihm benannten
Szent-Györgyi-Krebs-Zyklus zu sehen. Illustrierte Beilage des Pesti Napló, 31. Oktober 1937.
Szent-Györgyi sah anstatt des für Pauling charakteristischen ortomolekularen, d.h. des Herangehens von den einzelnen Bestandteilen her, die biologischen Systeme in ihrer Komplexität und die Verbindung mit der Gesamtheit der Natur und betonte das Ordnungsprinzip auf höherer Ebene. Ich riskiere die Behauptung, dass seine geistreichen Bemerkungen die Prinzipien der evolutionären Therapie vorwegnehmen, was übrigens ein völlig neues Konzept in die Medizin bringen kann, insbesondere auf dem Gebiet der Geschwulsttherapie und der Behandlung von Autoimmun-Krankheiten.
Beugt Vitamin C Krebs vor oder heilt es ihn?
Von 1985 an wurden vier sogenannte randomisierte, kontrollierte Utersuchungen durchgeführt, um dabei zu erforschen, ob regelmäßig eingenommenes Vitamin C der Entstehung einer Tumorerkrankung vorbeugt, oder wenn sich Krebs schon herausgebildet hat, die Überlebenszeit verlängert. Das Attribut randomisiert bedeutet, dass es bei diesen Untersuchungen zwei Gruppen gab: Die eine von ihnen bekam Vitamin C, die andere nicht. Und kontrolliert bedeutet, dass statistisch die Faktoren kontrolliert wurden, wegen derer er die beiden Gruppen noch voneinander unterscheiden konnte, beispielsweise im Hinblick auf das Rauchen oder den Alkoholgenuss. An der größten derartigen Untersuchung nahmen 14 000 Menschen teils, die zehn Jahre hindurch begleitet wurden. Diese Untersuchung aber und auch die weiteren drei lieferten das gleiche Ergebnis: Auch Vitaminn C kann weder der Entstehung einer Krebskrankheit vorbeugen, noch wirkt es bei einer bereits entwickelten Krebskrankheit, d.h. es verlängert nicht die Überlebenszeit von Krebspatienten.
Wie ist die Lage bei intravenösem Vitamin C?
Die Anhänger von Vitamin C vertrauten darauf, dass das, was mit geringeren Dosen nicht erreicht werden konnte, später mit höheren Dosen erreicht würde. Durch den Mund eingenommenes Vitamin C wird jedoch über eine bestimmte Dosis hinaus nicht gut absorbiert, d.h. über eine Grenze hinaus wird die Tablettendosis vergeblich erhöht, es hebt nicht den Vitamin-C-Spiegel. Jedoch erhoffte man sich vom hohen Blutspiegel die von Vitamin C vermutete toxische Wirkung auf die Krebszellen. Als neues Herangehen in Umgehung des Verdauungskanals begann man also, den Krebskranken Vitamin C intravenös zu verabreichen. Die intravenöse Gabe hatte einen widernatürlich hohen Blutspiegel zur Folge, der um das 30- bis 70fache über dem normalen Wert lag. Pauling und ein Arzt namens Ewan Cameron berichteten 1976 von ihren Ergebnissen im Zusammenhang mit intravenösem Vitamin C. Sie wandten die Therapie bei hundert Krebskranken im Endstadium an, bei denen die Behandlung nach ihrer Einschätzung das Überleben im Vergleich zu den sogenannten historischen Kontrollen verdreifachte. Die historische Kontrolle bedeutet, dass im Nachhinein die Patienten ausgewählt wurden, mit denen sie die Vitamin-C-Gruppe verglichen, was die Untersuchung sehr wohl in Frage stellte. Dies war freilich ein sehr hoher Ball für die Vitamin-C-Skeptiker, und die Untersuchung wurde sofort angegriffen. Einige Jahre später trat ein Arzt namens Moertel mit dem Ergebnis eines Gegenexperiments in der Mayo-Klinik hervor: In seiner ersten Untersuchung verlängerte Vitamin C nicht die Überlebenszeit der Krebspatienten. Sofort versuchte man die Untersuchung zur Herabwürdigung Paulings und seiner Leute auszunutzen, was ebenfalls nicht korrekt war, denn in der Untersuchung Moertels wurde das Vitamin C oral verabreicht, so war das aber nicht die genaue Wiederholung der Untersuchung nach Pauling.
Flugblatt von Paulings Vortrag „Vitamin C und Krebs“ aus dem Jahr 1977.
Quelle: http://scarc.library.oregonstate.edu/coll/pauling/images/1977s2.9-900w.jpg
Im Zusammenhang mit intravenösem Vitamin C gibt es bis heute relativ wenige Untersuchungen, die jedoch alle mit einem negativen Ergebnis endeten, d.h. eine Verlängerung der Überlebenszeit nicht bestätigten. Dazu gehört auch eine randomisierte Untersuchung, die an Frauen mit Eierstockkrebs bei paralleler Chemotherapie vorgenommen wurde. Eine Hälfte der Gruppe erhielt zwölf Monate lang intravenös Vitamin C, während der anderen Hälfte ein Placebo verabreicht wurde. In der Vitamin-C-Gruppe wurde zwar über weniger Nebenwirkungen berichtet, aber zum Ende der zwölf Monate gab es keinen Unterschied in der Überlebenszeit beider Gruppen. Außerdem wurden mindestens sieben Gruppenuntersuchungen vorgenommen, wobei in nicht einer das intravenöse Vitamin C die Überlebenszeit verlängerte. Die alternativen Krebsheiler, die gegenüber Vitamin C voreingenommen sind, zitieren häufig eine der Untersuchungen als Unterstützung dafür, dass die Größe des Tumors durch die Behandlung in geringem Umfang zurückgegangen wäre, was jedoch die sehr kurze Überlebenszeit der Patienten nicht verbesserte.
Der höhere Vitamin-C-Spiegel im Blut hängt mit dem niedrigeren Krebsrisiko zusammen
Diese Feststellung steht nur anscheinend im Widerspruch zu dem bisherigen Text! Alle Untersuchungen in dieser Richtung haben bestätigt, dass ein Zusammenhang zwischen niedrigem Vitamin-C-Spiegel im Blut und dem Risiko der Entstehung eines Tumors besteht. Wer an einer bereits herausgebildeten Krebskrankheit litt, starb umso früher, je niedriger sein Vitamin-C-Spiegel war. Es scheint also, dass ein hoher Vitamin-C-Spiegel gegen Krebs schützt. Das bezieht sich auf einen natürlich hohen Vitamin-C-Spiegel, weil, wie wir im vorangegangenen Teil gesehen haben, in seiner künstlich ergänzenden Form oder intravenös verabreichtes Vitamin C die Chancen der Krebspatienten nicht verbessert. Die alternativen Krebsheiler und Vitamingurus berufen sich mit Vorliebe aber fälschlicherweise auf diese Ergebnisse, wenn sie ihre Tabletten verkaufen wollen. Grundregel der Forschungsmethodologie ist, dass man aus korrelierenden Untersuchungen nicht auf Ursache und Wirkung folgern kann. Nur Untersuchungen mit medizinischen Eingriffen ermöglichen Schlussfolgerungen im Sinne von Ursache und Wirkung. Wie wir jedoch im vorangegangenen Teil gesehen haben, endeten all diese von Eingriffen begleiteten Untersuchungen mit negativen Ergebnissen. Und wieso ist das in ergänzender Form eingenommene Vitamin C nicht wirksam? Weil die Evolution im Laufe von Jahrmillionen den natürlichen Weg von Vitamin C im Organismus entwickelt hat. Künstliche Vitaminergänzung berücksichtigt weder die Nährstoffumgebung noch die Vielfalt der im Organismus ablaufenden Wechselwirkungen, so beispielsweise, dass Vitamin C ein Molekül mit zwei Gesichtern ist und in einer bestimmten Umgebung sich nicht als Antioxidans, sondern als Prooxidans verhält und zur Herausbildung reaktiver freier Radikaler führt. Oder aber es ruft genau das hervor, wovor wir uns durch die Einnahme von Vitamin C schützen wollen. Die Tablette oder intravenöse Ergänzung von Vitamin reproduziert nicht die Art und Weise der mit Vitamin-C-Ernährung vor sich gehenden Einnahme. Wenngleich die meisten Untersuchungen die Einnahme von Vitamin C als „relativ“ sicher beschrieben, gibt es keine gezielten Untersuchungen, auf deren Grundlage erklärt werden könnte, dass sie tatsächlich sicher sind. Gleichzeitig existieren epidemiologische Untersuchungen, denen zufolge die jahrelange Einnahme von Vitamin C zwar in geringem Maße, aber doch die Entwicklung bestimmter Tumortypen verstärkt.
Seit wann gibt es Vitamin-C-Tabletten?
Die erste Vitamin-C-Tablette wurde 1934 auf den Markt geworfen und von den 50er Jahren an kauften immer größere Massen Vitamin C. In Amerika nimmt gegenwärtig beinahe die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer Vitamin C. Was aber geschah, während der Anteil derer in der Welt und auch in Ungarn, die Vitamin C einnehmen, ständig stieg, mit dem Auftreten von Krebs? Auch das stieg!
Gibt es Menschen, die vor Krebs gefeit sind?
Jawohl, aber man darf sie nicht in den Ländern der westlichen Zivilisation suchen. Entgegen irrigen Auffassungen auch nicht in Indien oder Japan, und auch nicht in den buddhistischen Klöstern von Tibet. Bei den Naturvölkern, die in verschiedenen, verborgenen Regionen der Erde das Nomadenleben von Jägern und Sammlern führen, sind die Krankheiten, die den westlichen Menschen dezimieren, darunter Krebs, unbekannt. Und das ist nicht nur eine Anekdote, sondern eine von medizinischen Anthropologen gut dokumentierte Tatsache. Als diese Bevölkerungsgruppen wissenschaftlich erfasst wurden, fand man so gut wie keine Tumorkrankheiten. Eine der bekannteren dieser Studien ist mit dem Namen des ursprünglichen schwedischen Hausarztes Staffan Lindeberg verbunden, der die unter naturnaher Lebensweise lebende Bevölkerungsgruppe der zur Inselgruppe Papua Neuguinea gehörenden Insel Kitave studierte. Schließlich stellte er fest, dass die Bevölkerungsgruppe, ähnlich anderen Bevölkerungsgruppen ohne Berührung mit der Zivilisation völlig frei von diesen chronischen Krankheiten ist, so auch von Krebs. Im Kreise der Inuit waren nach Angaben der Anthropologen, die sie untersucht hatten, Geschwulstkrankheiten und auch Skorbut völlig unbekannt bis etwa in die 1960er Jahre, als auch diese Bevölkerungsgruppe von der Zivilisation eingeholt wurde, zusammen mit der westlichen Ernährung, die die Gesundheit zerstört. Die Epidemiologen stehen heute verständnislos vor den enttäuschenden Gesundheitsdaten der Inuit und anderer Ureinwohner Kanadas.
Die Inuit, die einer traditionellen Lebensweise folgen, und die Nomaden in Asien hinter dem nördlichen Polarkreis leben auf völlig gegenteilige Weise im Vergleich zu den offiziellen Ernährungsangeboten der westlichen Welt mit einer Diät auf der Basis von Fleisch und Fett, gelangen überhaupt nicht zu Kohlenhydraten, schätzen jedoch die tierischen Innereien sehr. Ihren Bedarf an Vitamin C gewinnen sie zum Großteil aus Leber, Hirn und anderen Innereien. Eine der hochgeschätzten Speisen der Inuit ist Mattak, das aus Haut von Säugetieren des Meeres und dem darunter befindlichen Fett besteht, gleichermaßen eine bedeutende Quelle von Vitamin C. Im Karpatenbecken sind Entsprechungen davon Kaiserspeck mit Schwarte sowie Speck. Wahrscheinlich kommt die ungarische Sitte, dass beim Schlachtfest die Teilnehmer die rohe Schweineschwarte gleich essen und dass gleichsam sämtliche Teile genutzt werden, aus sehr früher Zeit. Aber wir können auch andere Parallelen entdecken, beispielsweise das Abfüllen von Wurst. Bei den Inuit oder den Naturvölkern hinter dem nördlichen Polarkreis wird bis auf den heutigen Tag geschnittenes Robben-, Wal- oder eben Rentierfleisch in gewaschenen Robben- und Rentiermägen und -haut aufbewahrt. In der Kultur der Naturvölker, so auch bei den Inuit, besteht um die an Vitaminen reichen Innereien ein positives Symbolsystem. Die Inuit haben gar kein Wort für Krankheiten. Und sie haben insgesamt drei Worte, die auf Müdigkeit oder auf Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Altern hinweisen. Für die Verwendung von Walfett hingegen kennen sie mehrere Dutzend Arten.
Inuit-Jäger bei der Verarbeitung von Walross (1952-53) Iglulik, Nunavut, Kanada. (Richard Harrington
/ Bibliothek und Archive Canada / PA-129938)
Nur wenige wissen, dass die Innereien von Weidetieren nicht nur für Vitamin D, sondern auch für Vitamin C besonders reiche Quellen sind. Es ist auch kein Witz, dass konkrete Untersuchungen existieren, wo der Gehalt an Vitamin C einzelner tierischer Organe gemessen wurde. Hirn, Auge und Lymphorgane enthalten beispielsweise Vitamin C, dessen Menge den Blutspiegel sogar um das 30- bis 50fache übersteigt. Fast jeder geht darüber hinweg, dass auch Szent-Györgyi selbst zuerst Vitamin C aus der Nebenniere isolierte. Bei diesem Punkt ist ein wichtiges biochemisches Detail, dass Vitamin C und Zucker, da sie Moleküle ähnlicher Struktur sind, an denselben Rezeptoren in die Zellen gelangen, und deshalb bei zahlreichen Zelltypen miteinander wetteifern, um in die Zellen zu gelangen. Diese Erscheinung nennt man den Glukose-Askorbat-Antagonismus. In der Praxis bedeutet dies, dass je mehr Kohlenhydrat in unserer Nahrung vorhanden und je höher der Blutzuckerspiegel ist, desto weniger Vitamin C absorbiert und desto weniger davon im Organismus genutzt wird. Es zählt also nicht nur, wieviel Vitamin C eine gegebene Menge Nahrung enthält, sondern welche Stoffe darin enthalten sind, die die Nutzung des Vitamins C behindern. Außer Glucoson sind solche Stoffe, die die Absorption von Vitamin C behindern, die Flavonoide. Deshalb gehören die in Bioläden erhältlichen Nahrungsergänzungsmittel mit der Kombination von Vitamin C und Flavanoiden in die Kategorie der biologischen Absurdität.
Da unsere Immunzellen Vitamin C verstärkt nutzen, ist die Effektivität unseres Immunsystems eng an unseren Blutzuckerspiegel und die Menge des aufgenommenen Kohlenhydrats gekoppelt. Ein hoher Blutzuckerspiegel wirkt einerseits an sich, andererseits auch durch die Behinderung der Nutzung des Vitamins C negativ auf die Funktion des Immunsystems und trägt so zur Herausbildung und zum Voranschreiten einer Tumorerkrankung bei.
Ob es einem gefällt oder nicht – der Mensch ist im Hinblick auf seine biologischen Eigenschaften eindeutig Teil der Tierwelt, und auch für ihn gelten die gleichen biologischen Gesetze wie für die übrigen Vertreter der Tierwelt. Er vertritt das höchste Niveau der Anpassung an seine Umwelt unter allen heute lebenden Tierarten. Wir können ganz sicher darin sein, dass die Evolution nicht eine Art hervorgebracht hat, die zur Abwehr von Krankheiten auf künstliche Ergänzungsmittel angewiesen wäre. Man muss nur die Umgebung und Ernährungsform finden, für die – mit den Worten Albert Szent-Györgyis – „dieser Körper geschaffen“ wurde.
Autorin: Dr. Zsófia Clemens
Hirnforscherin, Neurobiologin
Wichtigste Fachgebiete: Epilepsie, Schlafforschung, Ketose-Biologie, Vitamine.
Mitbegründerin und fachliche Leiterin der Forschungsstätte von ICMNI.
Empfohlene Literatur:
Clemens, Zsófia and Tóth, Csaba. Vitamin C and Disease: Insights from the Evolutionary Perspective, Journal of Evolution and Health: Vol. 1: Iss. 1, Article 13. (2016)
Csaba Tóth, Zsófia Clemens, Halted Progression of Soft Palate Cancer in a Patient Treated with the Paleolithic Ketogenic Diet Alone: A 20-months Follow-up. American Journal of Medical Case Reports, vol. 4, no. 8: 288-292. (2016)
Lindeberg S. Food and western disease: health and nutrition from an evolutionary perspective. Chichester: Wiley-Blackwell (2009).